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Eine kleine Schwärmerei

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Hellblau, rosé, rot, eiscremefarben: Solche geradezu konträren Kombinationen würde man vermutlich nicht pflanzen, sehen aber gewollt aus. FOTO: EY

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Steingarten geschummelt. Durchlässiges Substrat, keine Spur von Staunässe, und die vom Kies rückstrahlende Sonnenwärme lassen ihn prächtig gedeihen. Er ist kein unbegabter Selbstdarsteller, weil er selten einzeln steht, sondern im strahlenden Kollektiv. Nach passenden Nachbarn fragt er nicht. Würde er das tun, hätte der Goldmohn, satt-orange wie eine Apfelsine aus biologischem Anbau, darauf verzichtet, neben der kräftig dunkelrosa blühenden Lichtnelke aufzustreben. Aber was kümmert ihn die Farbkombination? Was kümmert’s die Lichtnelke? Und was kümmert’s eigentlich mich?

Die Natur spart nie am falschen Ende

Ich wäre nicht auf die Idee gekommen, ein Blüteninferno dieser Couleur in Szene zu setzen. Das hat die Natur selbst getan, die Natur, die nie am falschen Ende spart. Der Goldmohn ist nicht scheu bei seiner Selbstaussaat. Und die Lichtnelke (Lychnis coronaria) weiß als eigentlich Zweijährige sich ebenfalls gut zu verbreiten. Vielleicht hat‘s der Wind getan, vielleicht eine Ameisenbande, die die Saat verschleppte, möglicherweise auch ein Spatz, der den Samen von ganz woanders einbrachte, indem er ihn pickte und dann im Steingarten mal musste.
   

Wie auch immer es zu dieser Kombination gekommen ist, sie ist ohnegleichen und sie lehrt mich, weniger auf Konstellationen achtzugeben und vielmehr auf das Überraschungsmoment des Unerwarteten. Der Garten erzieht seinen Gestalter, ihn für würdig zu erhalten. Das werde ich tun – und das Duett so belassen, wie es ist.

Ich beließ es ja auch dabei, als sich gleich drei konträre Gesellen denselben Topf ausgesucht hatten, um ihre Sommerfrische zu genießen. Da war die Jungfer im Grünen „Miss Jekyll“ im Himmelblau, die wie ein Boot der Hoffnung auf einem hellroten Meer aus Geranienblüten schwebte, während ihr steuerbordseits ein roséfarbener Schlafmohn als Leuchtturm Geleit gab. Ein Sammelsurium, dessen Textur widerborstigen Erbsenzählern, die in ihrem Garten nichts als Langeweile zu komponieren ersuchen, ein Dorn im Auge ist.

Im Süden meines Herzens ist viel Platz für solche Bilder. Die Schönheit bricht sich Bahn. In einer Affektstauentladung sie zu zerstören, nur um geordnete Verhältnisse zu schaffen, wäre impertinent. Andersherum muss nichts davon auf Teufel komm raus geschaffen werden, weshalb ich eben auch Abstand davon nehme, Blumen in einem scheinbar unpassenden Rahmen zu implantieren. Solche Zufälle lassen sich auf keine Weise installieren; sie kommen von alleine und sehen nur dann nicht gewollt aus.

Jens F. Meyer
j.meyer@dewezet.de