Anzeige

Eine bunte Mischung

Eine bunte Mischung Bildunterschrift anzeigen Bildunterschrift anzeigen

Laut Roter Liste nicht gefährdet, dennoch selten im Garten zu sehen: Kleiner Perlmutterfalter auf Skabiosenblüte. FOTO: EY

Wenn wir bedenken, dass es Schmetterlinge gibt, deren Raupen nur eine einzige Wirtspflanze haben, um zu überleben und daraufhin ja erst zu einem wunderschönen Falter zu werden, dann gehen wir im eigenen Garten bisweilen ziemlich „laissezfaire“ mit dem Pflanzenpotenzial um. Wer die Große Brennnessel (Uvaria dioica) komplett verschwinden lässt, nimmt dem Admiral seine Existenzgrundlage. Und es gibt manches mehr, das zu bedenken ist. Die Zukunft des Gartens gestalten bedeutet: Umdenken – als Dankeschön an all unsere Schmetterlinge und Insekten!Im nahenden Herbst und diesen spätsommerlichen Stunden, die von der Melancholie zwischen noch Blühendem und Scheidendem liegt, können wir damit schon beginnen. Da wäre zum Beispiel das Fallobst: Der Admiral, aufgrund seiner dunklen Flügel mit der roten Binde eine unverwechselbar prachtvolle Erscheinung, labt sich nämlich gerne an Äpfeln und Birnen, nicht nur am Sommerflieder. Natürlich stellt sich das Problem dar, dass faulendes Obst auf der Rasenfläche nichts zu suchen hat. Andererseits sollte im Sinne des Ausgleichs eine „goldene Mitte“ gefunden werden. Legen wir doch ein paar faulende Früchte dorthin, wo sie nicht stören. Schmetterlinge fliegen drauf, nicht nur Admirale.Überhaupt: Die Spezifizierung der Raupen, ihre monophage Lebens(mittel) weise, also von einer einzigen Pflanzenart abhängig zu sein, ist mehr als beeindruckend. Ihre deutschen Namen lassen überdies oft nicht vermuten, welche Geheimnisse noch hinter diesen fröhlichen Fliegern stecken. Der Thymian-Ameisenbläuling treibt‘s geradezu auf die Spitze. Er legt seine Eier in den Blüten des Thymians ab. Im Sommer lässt sich die Raupe von ihrer Wirtspflanze fallen und von Ameisen fortschleppen, in deren Nestern sie sich‘s gemütlich macht, um den Winter zu überleben. Sie labt sich an der Ameisenbrut, verpuppt sich und schlüpft zum Frühling hin im Ameisennest, um als Falter davonzufliegen. Fast schon kriminell.   

Eine Mahnung an die Aufgeräumten: Machen Sie es diesen Lebewesen doch einfach

Der Große Schillerfalter mag lieber Exkremente anstatt Nektar …

Der Rotklee-Bläuling wird nur dort sein, wo es Rotklee gibt. Die Raupe des Storchschnabel-Bläulings knabbert nur am Blut-, Sumpf- und Wiesen-Storchschnabel. Es ist höchst erstaunlich, wie sehr die Schöpfung diese Spezialisierung gefördert hat. Eine sehr individuelle Art der Entwicklung, die auch bei ausgewachsenen Schmetterlingen Bestand hat. Zwar fliegen viele unserer Tagfalter unzählige und sehr unterschiedliche Blüten an, gelockt vom Nektar (allen voran die Buddleja-Sommerflieder), aber es gibt Unterschiede. Der Große Schillerfalter, ein eher seltener Gast in heimischen Gärten, mag Exkremente und Aas lieber als Blüten … Das Tagpfauenauge, sehr wohl sehr bekannt hierzulande, fliegt (fast) nur violette Blüten an; Experten haben beobachtet, dass sie über 90 Prozent seiner Nektarpflanzen ausmachen. Unter anderem handelt es sich um Blaukissen, Sommerflieder, Prachtscharte, Wasserdost und Rot-Klee. Und der Trauermantel – siehe Textbeginn – vermag die schönste Sonnenhutblüte für ein faulendes Äpfelchen links liegen zu lassen. Die Geschmäcker sind eben verschieden.
   

Was wichtig ist: Diesen fröhlich-bunten Gesellen, die nicht nur die Sommerlüfte schneiden, sondern auch schon teils im späten Winter unterwegs sind (zum Beispiel der Zitronenfalter) und auch als Falter auf Dachböden oder an anderen geschützten Stellen überwintern (zum Beispiel C-Falter und Großer Fuchs), eine Fülle verschiedener Pflanzen zur Verfügung zu stellen, deren Basis reine Natur ist. Will heißen: Die Große Brennnessel nicht gänzlich aus dem Garten verbannen, das Wiesenschaumkraut unbedingt blühen und Grasarten wie Rotschwingel und Wiesen-Rispengras wachsen lassen, damit sich auch die Raupen des Kleinen Wiesenvögelchens sattfuttern können, die sich zu sehr, sehr hübschen Schmetterlingen verpuppen, die wir Menschen schließlich an Thymian, Sommerflieder und Heidekraut beobachten könn(t)en. Zu viel Aufgeräumtheit im Garten nützt jedenfalls keinem. Am wenigsten den Faltern. Und die Nachtfalter? Noch viel wichtiger! Aber das ist eine andere Geschichte. VON JENS F. MEYER
   

BEETGEFLÜSTER

Verfressen, Teil 2

Eine bunte Mischung-2
Unten die dicke Raupe, oben alles kahl: Die Großblättrige Gartenkresse ist komplett entlaubt. FOTO: SAS

Othello ist einmalig. William Shakespeare hätte dennoch seine Freude daran, zu wissen, dass eine Ligularie nach seinem Mohr von Venedig benannt und tausendfach vermehrt worden ist; eine besonders attraktive Sorte mit, wie sollte es anders sein, dunklem Laub. ’Othello‘ hat eine Freundin im Beet, die ’Desdemona‘ heißt – ach, was für eine Überraschung – und eine ebenfalls hinreißende Züchtung ist, vielleicht nicht ganz so atemberaubend wie ihr geliebter Nachbar, aber doch hübsch. Vermutlich waren Shakespeare-Fans am Werk, als es darum ging, die Namen für diese beiden Goldkolben zu finden, da höre ich jedenfalls die Nachtigall und nicht die Lerche trapsen.

Manche Blätter haben mehr Loch als Faser

Im Vergleich zu der Tragödie des britischen Meisters, in der ’Othello‘ aus Eifersucht erst ’Desdemona‘ und dann sich selbst tötet, weil es anders herum ja auch schwerlich funktionieren würde, erscheint mir die Situation im Reich der Flora entspannter, aber genauso dramatisch. Die Ligularien bringen sich nicht gegenseitig um, das müssen sie auch nicht, das erledigen die Schnecken.

Über all die Jahre hat sich ’Othello‘ als sehr viel energischer und vitaler gegen diesen Verbiss durchsetzen können, und ich glaube auch, dass die Staude nicht vollends aufgefressen wird; irgendwas bleibt immer übrig. Hier ungefähr zwei Drittel. Manche Blätter haben mehr Loch als Faser. Ich rede mir die Sache schön, geht ja nicht anders. Und die Blütenstände entwickeln sich sogar. Wird schon.

Die hier gewählten Sortennamen lassen vermuten, dass sie auch darauf abspielen, dass Ligularien Teil ihrer eigenen Tragödie shakespear’schen Ausmaßes sind. Denn sie lieben den Halbschatten und bevorzugen ein feuchtes Milieu. Nacktschnecken lieben genau dieselben Bedingungen. An Regentagen noch mehr. Exakt darin liegt die Tragik. Es wird Goldkolben geben, die es ständig bereuen, nicht einfach als Nelke oder Dachwurz geboren worden zu sein, um im sonnenerhitzten Steingarten mit dem kriechenden Kroppzeug nichts zu tun zu haben.

Aber die Schöpfung ist kein Wunschkonzert; Ligularia dentata und Geschwister müssen sich wohl oder übel mit dem zufriedengeben, was ihnen das Leben so beschert. Weil es wahnsinnig schöne Pflanzen sind, schweift mein Blick nicht nur über ihre Blätter und die Blüten, sondern wacht über sie. Vor einigen Wochen erblickte ich in unmittelbarer Nähe – aus den Ritzen der Gartenwegsteine wachsend – einige Sämlinge von ’Othello‘ und machte mich hocherfreut an die knifflige Aufgabe, sie schadlos aus der Enge des Steins mit Wurzel, Stumpf und Stiel zu befreien. Es ist mir mit einem kleinen Messer und Wasser zum Bodenlockern gelungen! Noch sind es freilich keine großen, starken Pflanzen, sondern zauberhafte, zarte; ich würde sie als Othellies oder Othellöchen bezeichnen wollen, die erst noch zum zweiten, kräftigen o heranwachsen müssen. Sicher vor Schnecken werden sie das tun. In Pöttchen mit guter Erde gefüllt, stehen sie auf dem Pflanztisch, werden jeden Tag gegossen. Und sehen überhaupt nicht danach aus, Teil einer Tragödie zu sein. Das kommt erst noch.

Eine bunte Mischung-3

Jens F. Meyer
j.meyer@dewezet.de

► Das „Beetgeflüster“ von Dewezet-Autor Jens F. Meyer ist auch als Buch erschienen. Teil 1 & 2 sind in den Geschäftsstellen von Dewezet und Pyrmonter Nachrichten (Osterstraße Hameln und Heiligenangerstraße Bad Pyrmont) erhältlich.       
        

Guten Appetit

Eine bunte Mischung-4
Gedränge auf dem Wasserdost: Der Kleine Fuchs erscheint in manchen Jahren in Massen. FOTO: SAS

Raupen haben großen Hunger. Erst wenn sie genug zu futtern haben, werden sie sich zu Schmetterlingen verpuppen. Gemüsegärtner ärgern sich über die Raupen des Kohlweißlings. Alle anderen Tagfalter bevorzugen aber andere Pflanzen. Zu den wichtigsten zählen Brennnesseln (zum Beispiel für den Nachwuchs von Tagpfauenauge, Kleiner Fuchs, Admiral, Landkärtchen, Distelfalter und C-Falter), Faulbaum (Zitronenfalter), Wiesenschaumkraut (Aurorafalter), Dill (Schwalbenschwanz) oder Hornklee (Bläulinge) und viele Arten von Disteln (Distelfalter). Ohne Zweifel: Diese und weitere Wirtspflanzen für Raupen sind mindestens genauso wichtig wie die Nektarquellen für die ausgewachsenen Falter.sas