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Die Led-Zeppelin-Pflanze

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Neuentdeckung mit Kosenamen: Kaschmirdolde aka Led-Zeppelin-Pflanze. FOTO: EY

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Beetgeflüster

Eselsbrücken sind erlaubt. Mitunter wirken sie effektiver als der imaginäre Knoten im Taschentuch. Gerade die Flora stellt uns mit ihrem schier unerschöpflichen Reichtum und den Entdeckungen, die jeder für sich auf eine andere Art macht, vor schwierige Aufgaben. Einerseits ist die binäre Nomenklatur Carl von Linnés, ohnehin schon anspruchsvoll, auch nach Jahrhunderten nicht endgültig in Stein gemeißelt, weswegen eine jahrelang als Cimicifuga racemosa geltende Traubensilberkerze eines Tages als Actaea racemosa eingestuft wurde, weil Botaniker aufgrund vegetativer oder generativer Merkmale nun einmal zu diesem Schluss kommen mussten – und das ist nur ein Beispiel von Tausenden. Andererseits sind deutsche Synonyme für bestimmte Pflanzen mitunter so vielzählig, dass es nicht möglich ist, sich alle zu merken, zumal sie bei der Bestimmung oder Suche nach einer Art auch nicht maßgeblich sein können, weil sie zusätzlich regional variieren. Der Purpur-Sonnenhut zum Beispiel ist auch unter den Namen Igelkopf, Schein-Sonnenhut oder Purpur-Rudbeckia bekannt. Und wer das Miesmäulchen sucht, findet es ebenso unter Schildblume und Schlangenkopf – drei variierende Namen für ein und dieselbe Blume. Wie um Himmels willen soll man sich das merken?

Unerschöpflich ist das Spektrum der Flora

Mit ein bisschen Übung prägen sich im Laufe der Zeit viele Begriffe natürlich ein. Doch unerschöpflich ist das Spektrum der Flora. Jede Neuentdeckung, von der wir uns etwas versprechen und die wir aus diesem Grund auch anderen Gärtnern ans Herz legen möchten, sollte ihren Platz im Oberstübchen bekommen. Es gibt keine Garantie dafür, dass uns der eine Name geläufig bleibt und der andere erst nach vehementem Funkenflug auf den Synapsen allmählich wieder einfällt. Ich habe jedenfalls keine Erklärung dafür, dass mir der deutsche Begriff Kaschmirdolde immer erst nach zähem Ringen einfällt, wenn ich Gartenfreunden davon erzähle. Ich hatte diese herrliche Blatt- und Blütenschmuckstaude eher zufällig entdeckt und war davon so angetan, dass ich eine zweite kaufte. Aber immer, wenn ich sie in einem Gespräch unter uns Beetenden verankere, fällt mir ihr deutscher Name nicht ein. Ihr botanischer schon mal gar nicht, weil auch der im Laufe der Zeit neu bewertet wurde und aus Cortia wallichiana ein Selinum wallichianum wurde. Einfacher wird’s dadurch nicht.

Ich bilde mir ein, etwas von Pflanzen zu verstehen. Wenngleich auf keinem wissenschaftlichen Wege errungen, so haben sich im Laufe der Zeit durch Interesse, Leidenschaft und Hingabe eine Menge Informationen zu einem Wissensschatz zusammengetan, von dem ich glaube, dass ich ihn mit Gleichgesinnten zu teilen in der Lage bin. Weil mir die Kaschmirdolde als neueste Entdeckung so gut gefällt, erzähle ich gerne von ihr, nur dass mir der deutsche Name im Verlauf der Konversation abhandenkommt. Je länger das Gespräch dauert, desto mehr verblasst er. Ein aufmerksamer Zuhörer, mit dem ich vor diesem von Purpurglöckchen der Sorte ’Peach Flambe‘ umringten Doldenblütler stand und der mein ausgeprägtes Faible für die Rockmusik kennt, baute mir den Steg der Erkenntnis, der mich die Kaschmirdolde nicht mehr vergessen machen wird. „Denken Sie an Led Zeppelin und ihre 1975 veröffentlichte Platte Physical Graffiti. Darauf ist auch der Titel Kashmir!“

Kaschmirdolde hat sich seit diesem Abend in meine Erinnerung gebrannt. Er gab mir den Ratschlag, der feinblättrigen Staude einen eigenen Namen zu geben, um ihr wahres Anthroponym in Erinnerung zu behalten. Seitdem heißt sie Led-Zeppelin-Pflanze (syn. Physical Graffiti). Ich finde, das rockt!

             
Die Led-Zeppelin-Pflanze-2

Jens F. Meyer
j.meyer@dewezet.de